Wenn der Chef mich loswerden will …
Arbeitgeber, die Beschäftigte aus dem Betrieb drängen möchten, greifen häufig zu fiesen Tricks. Die Betroffenen sollen freiwillig gehen. Denn eine Kündigung erfordert gerechtfertigte Gründe. kompakt erklärt die Details.
Stell dir mal folgende Situation vor: Du willst etwas Wichtiges klären, doch dein*e Vorgesetzte*r hat keinen Termin für dich oder weicht ständig aus? Allerdings scheint er oder sie genügend Zeit zu haben, dich permanent heimlich zu kontrollieren, um dich dann später vor versammelter Mannschaft wegen Kleinigkeiten zu kritisieren? Irgendwie hast du das Gefühl, dein*e Chef*in will dich loswerden …
Damit bist du nicht allein. Es gibt zwar keine Statistik über die Zahl der jährlichen Versuche, die Arbeitgeber unternehmen, um die – in ihren Augen – unbequemen Beschäftigen aus dem Unternehmen zu drängen; aber über ihre teilweise perfiden Tricks ist jede Menge bekannt.
»Der Arbeitgeber verfolgt dabei häufig ein Ziel: Die Betroffenen sollen freiwillig gehen«, sagt Peter Voigt, Leiter der Abteilung Rechtspolitik, Rechtsschutz bei der IGBCE. »Denn kündigen kann er ihnen ohne gerechtfertigte Gründe nicht.« Dazu zählen etwa ein absichtliches schwerwiegendes Fehlverhalten des Mitarbeiters beziehungsweise der Mitarbeiterin oder gesundheitliche Gründe, die eine Weiterbeschäftigung unmöglich machen.
Wer auf der »Abschussliste« steht, soll sich also im Unternehmen nicht wohlfühlen. Und dafür haben die Vorgesetzten die verschiedensten Taktiken. »Das beginnt bei den Arbeitsaufgaben«, weiß der Jurist. »Plötzlich bekommt man nichts mehr zu tun oder nur total eintönige Aufgaben – zum Beispiel den ganzen Tag Akten kopieren. Oder man bekommt viel zu viel Arbeit auf den Tisch, mit viel zu kurzen Fristen.«
Auch verbal würden Vorgesetzte häufig ihre Abneigung zeigen: »Man wird nicht mehr gelobt, dafür aber vor dem gesamten Team wegen Kleinigkeiten vorgeführt«, sagt Voigt. »Oder man wird nicht mehr gegrüßt.« Nicht zuletzt könne auch die Versetzung in ein anderes Büro oder in eine andere Filiale eine gängige Methode sein, um unliebsame Mitarbeiter*innen zu ärgern.
Es gebe auch Chef*innen, die von Technikspezialist*innen die E-Mail-Accounts sowie Telefonlisten auswerten lassen. »So sollen private Tätigkeiten während der Arbeitszeit nachgewiesen werden«, erklärt der Experte. Er empfiehlt: »Selbst wenn der Arbeitgeber die private Internetnutzung oder die privaten Telefonate erlaubt, sollte man darauf verzichten.« Dazu gehörten auch Online-Banking und Ebay-Geschäfte am Dienst-PC. »Die Arbeitszeit gehört dem Arbeitgeber.«
»Wenn der Chef oder die Chefin jemanden loswerden will, dann kann schon eine Kleinigkeit zum Verhängnis werden«, sagt Voigt. Dazu zähle auch das ungefragte Einstecken von »Kleinigkeiten« wie Kugelschreibern. Der Arbeitgeber könnte dann argumentieren, dass durch den Diebstahl das Vertrauensverhältnis schwerwiegend und nachhaltig gestört sei (kompakt berichtete in der April-Ausgabe 2022) – und kündigen.
Vorwürfe, Kritik, Kontrolle: Ist das schon Mobbing? »Mobbing ist immer eine subjektive Empfindung«, sagt Voigt. »Wer das Gefühl hat, in die zweite Reihe versetzt zu werden, sollte zuerst nach möglichen Gründen suchen«, rät er. »Vielleicht gibt es gar keine persönlichen Motive, sondern vor allem betriebliche Zwänge.« Auch könnte es sich um ein Missverständnis handeln oder um einen Konflikt anderer Kolleg*innen, bei dem man versehentlich mit reingeraten sei.
»Die Alarmglocken sollten allerdings spätestens dann läuten, wenn man plötzlich eine Abmahnung bekommt«, warnt Voigt. Denn das könnte der Vorbote für die Kündigung sein. »Spätestens dann sollte man sich Hilfe suchen.«
Katrin Schreiter
Besonnen reagieren, Hilfe suchen
Der Eindruck, man sei an seinem Arbeitsplatz nicht mehr erwünscht, kann sehr belastend sein. IGBCE-Rechtsexperte Peter Voigt hat vier Tipps, die dir weiterhelfen:
- Ruhe bewahren: Mit einem kühlen Kopf lässt du dich nicht so schnell in die Enge treiben. Gerätst du aber in Panik, entscheidest du dich möglicherweise unüberlegt.
- Zur Wehr setzen: Ungerechtfertigte Kritik und Anschuldigungen musst du nicht kommentarlos hinnehmen. Vor allem schlechten Beurteilungen solltest du widersprechen, am besten schriftlich.
- Rechtlichen Beistand nutzen: Wenn du meinst, dein Arbeitgeber würde dich schikanieren, solltest du dir Hilfe suchen. Als Mitglied der IGBCE hast du gewerkschaftlichen Rechtsschutz — du kannst dich jederzeit mit deinen Fragen und Problemen an deinen Bezirk wenden.
- Nach Alternativen suchen: Wenn du es in deinem Arbeitsverhältnis nicht mehr aushältst, solltest du überlegen, ob ein neuer Job die Lösung sein könnte. Vor allem, wenn du den Eindruck hast, deine Gesundheit steht auf dem Spiel.