VOR ORT

Nord

VOR ORT: Nord

NAMEN & NACHRICHTEN

Betriebsrat gegründet

gronau | Mit einer Wahlbeteiligung von rund 90 Prozent haben die 35 Beschäftigten des Logistik- und Reinigungsunternehmens Cleanlog Ende Februar ihren ersten Betriebsrat gewählt. »Damit haben die Kolleginnen und Kollegen deutlich gemacht, dass sie nach knapp zwei Jahren ohne Mitbestimmung endlich wieder mitreden wollen«, zeigt sich der Vorsitzende Dennis Twele zufrieden. Das Dreier-Gremium werde sich zunächst mit den in Bad Münder stattfindenden Seminaren auf die Betriebsratsarbeit vorbereiten.

Schnellstmöglich werden IGBCE und die bis dahin gewählte Tarifkommission Verhandlungen mit dem Arbeitgeber aufnehmen. »Ziel ist eine Anpassung unserer Löhne an die Entgelte der Kolleginnen und Kollegen bei HauptPharma«, so Twele. Cleanlog wurde 1997 ausgelagert, gehört aber weiterhin zur Aenova Group.

Foto: Steffen Thäsler

Politik und Comedy für Frauen

ibbenbüren | Über Frauen in Führung sprach Karin Erhard vom geschäftsführenden Hauptvorstand bei einem virtuellen Brunch des Bezirks Ibbenbüren zum Weltfrauentag. Die IGBCE sei auf dem Weg, alle Positionen paritätisch zu besetzen. Das sei auch für die Betriebsräte anzustreben, die aktuell gewählt werden. Erhard ermutigte die Zuhörerinnen, für die Betriebsratswahlen zu kandidieren und auch dessen Vorsitz zu übernehmen, damit »wir in unseren Branchen weibliche Mitbestimmung leben und in den Gremien vertreten sind«. Nur so könne die IGBCE passgenaue Politik für Frauen in der Arbeitswelt machen.

Bezirksleiterin Marion Hackenthal dankte dem Frauenforum für seine Anträge auf dem Gewerkschaftskongress. Auch über den kontinuierlich steigenden Frauenanteil im Bezirk zeigte sie sich zufrieden. »Wir Frauen haben unseren Platz eingenommen und sind nicht mehr wegzudenken.« Im Anschluss näherte sich die Kabarettistin Mia Pittroff den angesprochenen Themen auf humorvolle Art.

Erfolgreich verhandelt

nörten-hardenberg | Auf eine Erhöhung der Löhne und Ausbildungsvergütungen um 6,3 Prozent haben sich IGBCE und Geschäftsführung der DFE Pharma bereits in der ersten Verhandlungsrunde Ende Februar geeinigt. Laut Tarifkommissionsmitglied Torsten Neumann wurde das Ergebnis in Rekordzeit erzielt, »weil der Arbeitgeber weiß, dass er die hohe Inflationsrate irgendwie ausgleichen muss«.

Die Vereinbarung für die 70 Beschäftigten des Weltmarktführers für pharmazeutische Laktose läuft 24 Monate.

Fatale Abhängigkeit

hannover | Hohe Energiepreise belasten Nord-Betriebe

Energieintensiv ist etwa die Glas-Produktion.

Foto: Frank Rogner

Jedes zweite Unternehmen im Landesbezirk ist von den steigenden Energiepreisen betroffen. Mit gravierenden Folgen: Rund 8 Prozent haben ihre Produktion bereits gedrosselt. In jedem vierten Betrieb gefährdet die Preisspirale Arbeitsplätze und jedem achten Standort droht bei einer weiteren Verschärfung gar die Schließung. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Abfrage des Landesbezirks unter Betriebsräten aus 43 Unternehmen.

Aufgrund der hohen Anzahl energieintensiver Unternehmen im Norden zeigt sich Landesbezirksleiter Ralf Becker von den Ergebnissen der Abfrage nicht überrascht. »Die Großverbraucher beispielsweise aus der Grundstoffindustrie sind anfällig für Energiekrisen«, stellt Becker fest. Angesichts eventuell drohender Lieferengpässe warnt er eindringlich vor kurzfristigen Drosselungen durch die Versorger: »In unseren Unternehmen laufen Prozesse, die nicht einfach unterbrochen oder gefahrlos heruntergefahren werden können.«

Gaspreisentwicklung

Bei Glasproduzenten beispielsweise würden enorme Schäden an den Produktionsanlagen entstehen, die einen kompletten Neuaufbau erforderten. In Teilen der chemischen Industrie laufen Prozesse, deren unkontrollierter Abbruch zu Explosionen oder der Freisetzung von Emissionen und damit zu Schäden an Dritten führen könnte. Eine weitere Sorge: »Im Norden stehen viele alte, bereits abgeschriebene Anlagen. Wenn die erst heruntergefahren sind, werden die Betreiber möglicherweise die Standorte nicht wieder hochfahren, sondern abwickeln.« Für ein Unternehmen ist die Bedrohung konkret: Dessen Geschäftsführung hat der örtliche Versorger informiert, dass es bei Gasknappheit nicht mehr bedient werde. Nun bereite man sich dort auf Kurzarbeit vor, so Becker.

Dass der Ausbau erneuerbarer Energien forciert werden müsse, liegt laut Becker auf der Hand. Zudem fordert er von der Politik eine offene, ideologiefreie Debatte darüber, welche Alternativen ökologisch und ökonomisch sinnvoll zur Überbrückung der Krise sind. »Aufgrund der benötigten Mengen müssen wir international agieren«, so Becker. »Mit der Marktmacht der EU können wir mehr erreichen.«

Für den Brückenschlag

hannover | Chemie-Beschäftigte stützen Tarifforderungen

Flyer und Infos vorm Conti-Werk in Stöcken.

Foto: IGBCE

Flugblätter für die Nachtschicht, Demo vorm Werktor oder Brezel und Schoko für die Kolleg*innen: Mit vielfältigen Aktionen im Vorfeld der Chemie-Tarifrunde 2022 (zum Abschluss siehe Seite 12–17) haben die Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie im gesamten Landesbezirk den Arbeitgebern deutlich gemacht, dass sie hinter den Forderungen der IGBCE stehen. können wir mehr erreichen.«

Ingo Henne, Betriebsrats- und Vertrauensleutevorsitzender bei ContiTech in Northeim, beschrieb auf einer Demo vor dem Werktor die letzten zwei Corona-Jahre als extrem anstrengend und sehr belastend. »Wir waren in Kurzarbeit, das bedeutet, dass die Arbeit auf weniger Kollegen verteilt war. Trotzdem oder gerade deshalb hat der Arbeitgeber gute Gewinne erwirtschaftet. Eine reale Lohnerhöhung oberhalb der Inflationsrate sollte hier also drin sein«, forderte er vor den Teilnehmenden, die ihm lautstark zustimmten. »Wenn der Arbeitgeber sich jetzt wegen der Ukraine-Krise und Lieferengpässen vor einer Lohnerhöhung drücken will, wälzt er die Verantwortung auf uns Beschäftigte ab.«

Die aktuelle Lage ist durch den Angriffskrieg in der Ukraine und seine energiepolitischen Folgewirkungen höchst unsicher. Deshalb, so führte Gewerkschaftssekretär Mathias Heiden in seiner Ansprache in Northeim aus, habe die IGBCE den Chemiearbeitgebern in der ersten Verhandlungsrunde einen »tarifpolitischen Brückenschlag« vorgeschlagen. »Wir fordern einen Teilabschluss mit dauerhaften Lohnsteigerungen und Einmalzahlungen. Weil die Preissteigerungen die Kolleg*innen der unteren Entgeltgruppen am stärksten treffen, müssen sie besonders berücksichtigt werden«, sagte er. Der Tarifvertrag solle eine kurze Laufzeit haben, damit die Tarifparteien auf aktuelle Entwicklungen reagieren könnten. »Spätestens zum Jahreswechsel werden wir die Tarifrunde fortsetzen und mit einem guten Ergebnis abschließen«, so Heiden.

Schokolade und Infos von den Vertrauensleuten von Melos & PolyComp in Melle.

Foto: BR Melos

Jugendtarifaktion bei Aurubis in Hamburg.

Foto: Kim Fleischmann

3 Fragen an Simone Nierobisch

Die frisch gewählte Betriebsrätin bei Plixxent in Oldenburg über den neu gewählten Betriebsrat und dessen Herausforderungen.

Foto: Privat

Ihr habt einen eigenen Betriebsrat gegründet. Wie kam es dazu?

Weil wir historisch aus einem Unternehmen kommen, hatten wir auch nach unserem Verkauf an den Finanzinvestor HIG 2019 einen Gemeinschaftsbetriebsrat mit der BÜFA. Die beiden Firmen haben sich jedoch stark auseinanderentwickelt. Wir sind viel kleiner als die BÜFA, deshalb hatten wir nur zwei Vertreter*innen in dem Zehner-Gremium. Da hatten unsere Interessen und Problemlagen nicht genug Raum. Wir Vertrauensleute haben deshalb eine Mitarbeitenden-Befragung über die Gründung eines eigenen Betriebsrats durchgeführt. Als die Mehrheit sich dafür ausgesprochen hatte, haben wir den Tarifvertrag der IGBCE mit beiden Firmen durch die Gewerkschaft kündigen lassen.

Was sind in eurem Betrieb die drängendsten Herausforderungen?

Bei uns ist ordentlich Druck auf dem Kessel. Die Arbeitsprozesse, die Kommunikation, — alles ist schnelllebiger geworden. Wir haben zu viel Arbeit und die Belastung der Kolleg*innen ist hoch. Die Motivation sinkt, Druck und Frustration steigen — und die ersten haben das Unternehmen verlassen. Gleichzeitig ist unser Arbeitgeber schwer berechenbar und wir fürchten, dass er aus dem Arbeitgeberverband austreten wird. Auf den
neuen Betriebsrat wartet ein ordentliches Arbeitspensum: Wir müssen alle Betriebsvereinbarungen, die ja der Gemeinschaftsbetriebsrat mit dem Arbeitgeber geschlossen hatte, überarbeiten.

Was war deine Motivation für die Kandidatur?

Ich bin seit über 13 Jahren Vertrauensperson und gut mit dem Arbeitgeber und den Strukturen hier vertraut. Gleichzeitig habe ich ein enges und gutes Verhältnis zu den Kolleg*innen. Da war es keine Frage, dass ich mich engagiere. Die Betriebsratsarbeit selbst ist den meisten von uns neu. Zum Glück haben wir eine Kollegin dabei, die uns im früheren Gemeinschaftsgremium vertreten hatte. Sie wird eine große Hilfe sein. Auf jeden Fall brauchen wir jetzt starke Unterstützung durch die Gewerkschaft.