Die Zeit ist reif für eine Chefin
Yasmin Fahimi soll im Mai zur DGB-Vorsitzenden gewählt werden — als erste Frau in der Geschichte des Gewerkschaftsbundes.
»Die Rechte von Beschäftigten zu verbessern, ist für mich eine Herzensangelegenheit.«
Der Begriff »historisch« wird im politischen Alltag oft leichtfertig benutzt – und hält im Nachhinein nicht immer das Versprochene. Im Fall von Yasmin Fahimi sieht die Sache anders aus: Die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Hannover ist tatsächlich im Begriff, (Gewerkschafts-) Geschichte zu schreiben. Mehr als sieben Jahrzehnte war die mächtige Führungsspitze des DGB fest in männlicher Hand, elf Vorsitzende gab es bisher. Jetzt soll eine Frau das Dutzend vollmachen. »Ich war, ehrlich gesagt, überwältigt, als erste Frau für dieses Amt nominiert worden zu sein«, erklärt Fahimi nicht ohne Stolz, während sie aus ihrem Bundestagsbüro über das politische Berlin blickt. Zwei Mal wird die studierte Chemikerin – sie trat mit 17 Jahren in die SPD ein – direkt in den Bundestag gewählt, setzte sich dabei unter anderem gegen prominente Gegenkandidatinnen wie die heutige EU Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) durch.
In ihrer Fraktion macht sich Yasmin Fahimi schnell einen Namen als streitbare Arbeitsmarktexpertin, steht immer im engen Austausch mit den Gewerkschaften. »Die Rechte von Beschäftigten zu verbessern, ist für mich eine Herzensangelegenheit, für die ich mich schon mein ganzes Arbeitsleben einsetze.« Zunächst als Gewerkschaftssekretärin bei der IGBCE. »Hier hatte ich 14 wundervolle Jahre, in denen ich die Gewerkschaftsarbeit von der Pike auf gelernt habe«, erinnert sich Fahimi und meint lachend: »Neben harten Verhandlungsrunden sind mir die durchgefeierten Nächte bei der IGBCE-Jugend noch gut in Erinnerung.«
Später steigt die 54-Jährige zur SPD-Generalsekretärin auf, wird Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Ihr Mandat als Abgeordnete will die Sozialdemokratin nach der Wahl an die DGB-Spitze »zeitnah niederlegen«, erklärt sie. In ihren Händen hält sie eine dampfende Tasse Kaffee, graue Wolken hängen tief über der Stadt. Durch den Nieselregen hinweg bleibt ihr Blick am Kanzleramt hängen. »Wenn ich gewählt werden sollte, habe ich mit Olaf Scholz viel zu bereden. Und angesichts der großen Probleme, die vor uns liegen, wird es bestimmt nicht immer kuschelig.«
Denis Lochte
Der 22. Ordentliche DGB-Bundeskongress findet vom 8. bis 12. Mai 2022 unter dem Motto »Zukunft gestalten wir« in Berlin statt.
Mehr Infos: bundeskongress.dgb.de